· 

Eine Schulauflösung tut weh- was hilft?

Eine Schulauflösung tut weh, meistens jedenfalls, wenn wir selbst betroffen sind. Unsere schulische Heimat als Lehrer*in, Schulleiter*in oder in anderer - womöglich langjähriger - Funktion droht unterzugehen. Vielleicht haben wir noch einige Zeit für den Erhalt gekämpft, müssen uns nun aber in dieses Schicksal fügen, denn die Entscheidung ist gefallen und auf den Weg gebracht. Im Behördendeutsch heißt es, unsere Schule werde "abgewickelt". Wir hingegen sehen uns gleichzeitig mit zwei Themen konfrontiert, die heftige Gefühle auslösen können: Abschied nehmen und neu beginnen.

Abschied nehmen

"Der Abschied schmerzt immer, auch wenn man sich schon lange darauf freut"- ich denke, dieses Zitat von Arthur Schnitzler macht eindrucksvoll deutlich, dass wir unserem Schmerz beim Abschiednehmen nicht ausweichen können.

 

Der Abschied von einer Schule, weil diese aufgelöst wird, geht häufig einher mit Verunsicherung, wenn nicht gar Verzweiflung, über den Verlust unserer beruflichen Heimat. Oft spüren wir sehr schnell, dass wir "unsere" Schüler*innen, "unser" Kollegium, "unser" Schulgebäude - alles, was uns Sicherheit gegeben hat oder wir über Jahre lieb gewonnen haben - vermissen werden. Enttäuschung, Ärger oder Wut können sich in uns breitmachen. Fragen wie "Warum wir?", "Warum gerade unsere Schule?", drängen sich dann auf, und wir empfinden Ungerechtigkeit oder fühlen uns  Entscheidungen von Behörden ausgeliefert.

Neu beginnen

Neubeginn, der überschattet ist von dieser Art des "Abschied-nehmen-müssens", fühlt sich deshalb nicht wie ein Aufbruch in eine positive Zukunft an. Ein Wechsel an eine andere Schule wird in dieser Situation eher von bangen inneren Fragen begleitet: "Was kommt da auf mich zu?", "Muss ich wieder von vorne anfangen?", "Wie werde ich mit dem anderen Schüler*innenklientel zurechtkommen?", "Werde ich meinen Platz im neuen Kollegium finden?", "Wem kann ich trauen?", "Wie wird mich die Schulleitung der aufnehmenden Schule empfangen?".

Sich innerlich vorbereiten

Sicherlich fügen wir uns nicht kampflos in unser Schicksal, wenn die ersten Male davon die Rede ist, dass unsere Schule aufgelöst werden soll. Dennoch halte ich es für sehr wichtig, diesen Gedanken, dass die Auflösung real werden kann, zuzulassen und parallel zu allen Bemühungen, die Schulauflösung zu verhindern, anzunehmen.

 

Nur wenn wir an unserer inneren Haltung, unter Umständen "loslassen" zu müssen, arbeiten, können wir persönliche Auswege aus dem belastenden Gefühlsgemisch in uns finden. Gleichzeitig bietet das Bewusstsein, zur Not innerlich "loslassen" zu können, Schutz vor einer übergroßen Enttäuschung darüber, dass wir die Auflösung nicht haben verhindern können.

 

Entscheidend ist meiner Erfahrung nach darüber hinaus, nicht zuzulassen, dass unsere empörten Gefühle von anderen betroffenen Kolleg*innen ständig befeuert werden, ohne dass eine Auseinandersetzung mit den anstehenden Veränderungen angestrebt wird. Die Gefahr, sich gemeinsam im "Jammertal" zu verrennen, ist groß. Hilfreicher ist, eine Gruppe aus Betroffenen zu gründen, die sich das Ziel setzt, die Situation realistisch zu reflektieren und gemeinsam Wege für einen positiven Neubeginn "trotz allem" und "für alle Fälle" zu entwickeln.

 

Ich empfehle den geschützten Raum und die Vertraulichkeit einer Kollegialen Beratungsgruppe. Die Gruppe trifft sich regelmäßig und arbeitet nach einem festen, systematischen Ablauf. Psychisch aufbauend ist, dass wir unser Leid teilen und gleichzeitig gemeinsam nach Auswegen und einer neuen Perspektive suchen. Auf diese Weise werden Möglichkeiten erarbeitet, mit belastenden Gefühlen oder Ängsten vor der Zukunft bewusst und konstruktiv umzugehen.

 

In einer solchen Gruppe wirkt oft der empathische, aber andersartige Fremdblick auf die eigenen Probleme besonders aufschlussreich. Dieser ermöglicht nämlich, Schulauflösung und -wechsel mit den Augen der anderen zu betrachten und unterschiedliche Verarbeitungsweisen kennenzulernen, auf die wir selbst gar nicht gekommen wären. So lernen wir gegenseitig mit- und voneinander.

 

Im Prozess entwickeln wir nach und nach ein größeres psychisches Repertoire, um von der einen Schule bewusst Abschied zu nehmen und in der anderen Schule positiv anzukommen. Wir schließen sozusagen besonnen hier ab und dort auf. 

"Mit dem Herzen gehen"

Wenn wir uns auf diese Weise bewusst und konstruktiv vorbereiten, können wir die Zumutungen einer Schulauflösung und eines Schulwechsels leichter bewältigen. Wir fühlen uns gestärkt, arbeiten an einem persönlichen Plan zur Bewältigung und sind innerlich positiv(er) auf die unausweichliche Veränderung ausgerichtet. Im besten Fall können wir "mit dem Herzen gehen", so wie es einst von Konfuzius formuliert wurde:

 

"Wohin Du auch gehst, geh mit dem Herzen." 

Blogverzeichnis