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Lernkompass gestern und 2030

Eine sehr gute Freundin, ehemalige Lehrerin, hat in ihrem Ruhestand persönlichen Kontakt und regen Austausch mit einer beeindruckend hohen Zahl ehemaliger Schüler*innen. Das ganze Jahr über gehen viele empathische E-Mails hin und her, und die inzwischen gestandenen Frauen und Männer kommen aus aller Welt zu Besuch, um mit ihrer ehemaligen Lehrerin bei Kaffee und Kuchen zu diskutieren, zu lachen, das Leben zu teilen. Ihre älteste (Lehrerin-Schüler)-Beziehung stammt aus dem Abijahrgang 1972. 

 

Was macht sie zu einer derart beliebten Lehrerin und begehrten Gesprächspartnerin bis ins fortgeschrittene Alter? 

 

Lehrerin zu sein bedeutete für sie nie, sich als reine Wissensvermittlerin zu verstehen. Das ist besonders beachtenswert, denn ihre Hauptberufsjahre waren vor der Digitalisierung, als Wissensvermittlung noch einen hohen Stellenwert genoss. 

 

Lehrerin zu sein bedeutete für sie vielmehr, ihre Fachkompetenz mit Herzensbildung zu verbinden, in der die Menschlichkeit das Wichtigste ist: echte Beziehungen, Mut zu persönlichen Fragen, authentischen Antworten, zur Selbstreflexion und zum Perspektivwechsel und die Fähigkeit zu Empathie und Respekt.

 

Genau das brauchen wir JETZT, umso dringender, denn Schüler*innen wissen alles (Google). Unsere Einzigartigkeit als Menschen sollten wir in der Schule als Lehrer*innen mit Herz und Seele vorleben und wie meine Freundin unseren Schüler*innen Mut machen, ihre Potenziale zu entdecken und für die Gestaltung einer menschengerechten Zukunft zu nutzen.

 

Wenn Sie heute Lehrer*in sind, können Sie sich so auf einen menschenwürdigen Ruhestand mit Kaffee und Kuchen im Kreis ehemaliger Schüler*innen freuen.

 

Vorher empfehle ich den OECD Lernkompass 2030 zur Lektüre und für den Austausch mit Kolleg*innen. Hier ein Auszug aus dem Vorwort von Prof. Dr. Schleicher:

OECD-Lernkompass 2030

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Erfolg in der Bildung bedeutet nicht nur das Lernen von Sprachen, Mathemaik oder Geschichte, sondern auch die Entwicklung von Identität, Handlungsfähigkeit und Sinnhaftigkeit. Es geht darum, Neugier und Wissensdurst zu wecken, den Intellekt für Neues zu öffnen. Es geht um Mitgefühl, darum, die Herzen zu öffnen. Und es geht um Mut, um die Fähigkeit, unsere kognitiven, sozialen und emotionalen Ressourcen zu mobilisieren. Das werden auch unsere besten Mittel gegen die gößten Bedrohungen unserer Zeit sein: die Ignoranz – der verschlossene Verstand, der Hass – das verschlossene Herz – und die Angst – der Feind von Handlungsfähigkeit.

Heutzutage sortieren uns die Algorithmen der sozialen Medien in Gruppen von Gleichgesinnten. Sie schaffen virtuelle Blasen, die unsere eigenen Ansichten verstärken und uns von divergierenden Perspektiven isolieren; sie homogenisieren Meinungen und polarisieren unsere Gesellschaften. Deshalb müssen die Schulen von morgen Schülerinnen und Schülern helfen, selbstständig zu denken und sich mit Empathie und Bürgersinn anderen zuzuwenden. Sie müssen ihnen helfen, einen starken Sinn für Wahrhaftigkeit und ethisches Handeln zu entwickeln, Sensibilität für die Erwartungen anderer an uns und ein Verständnis für die Grenzen individuellen und kollektiven Handelns.

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Das führt uns zu der schwierigsten Frage in der Bildung – der Werteorientierung von Bildungsprozessen. Werte waren schon immer von zentraler Bedeutung für die Bildung, aber es ist an der Zeit, dass sie von impliziten Bestrebungen zu expliziten Bildungszielen und -praktiken werden. Das kann die Entwicklung von situationsbedingten Wertesystemen – d.h. „Ich tue, was immer eine Situation mir erlaubt“ – hin zu nachhaltigen Wertesystemen unterstützen, die Vertrauen und soziale Bindungen stärken. Die Chance von Bildung ist es, für und mit den Menschen ein solides Fundament für das Handeln und ein verantwortungsvolles Miteinander zu entwickeln.

Die Quintessenz ist, dass wir, wenn wir der technologischen Entwicklung voraus sein wollen, die Qualitäten finden und verfeinern müssen, die einzigartig für uns Menschen sind. Dieses Vermögen gilt es zu entwickeln, damit sich unsere Fähigkeiten und die unserer Computer ergänzen können und nicht miteinander konkurrieren. 

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Lesen Sie weiter, lassen Sie sich inspirieren, tauschen Sie sich mit Ihren Kolleg*innen aus und entwickeln Sie gemeinsam einen Lernkompass für Ihre Schüler*innen!

OECD Lernkompass hier